Im kommenden Sommersemester 2025 werde ich ein Seminar zum Thema:
Unrechtsstaaten und ihre Bewältigung
anbieten.
Die Auseinandersetzung mit Unrechtsstaaten wirft grundlegende Fragen über den Umgang mit politischer Herrschaft, Rechtsnormen und gesellschaftlicher Gerechtigkeit auf. Die historische Erfahrung zeigt, dass Unrechtsstaaten keineswegs bloße Anomalien in der politischen Geschichte darstellen, sondern oft systematisch bestehende Machtverhältnisse zementieren und absichern. Während der Rechtsstaat grundlegende Prinzipien wie die Achtung der Menschenrechte, die Gewaltenteilung und die Berechenbarkeit staatlichen Handelns garantiert, zeichnet sich der Unrechtsstaat durch das systematische Fehlen oder die bewusste Missachtung eben dieser Prinzipien aus.
In der Wissenschaft gibt es keine einheitliche Definition des Begriffs „Unrechtsstaat“. Er wird jedoch häufig verwendet, um politische Ordnungen zu kennzeichnen, die sich durch Rechtswillkür, Grundrechtsverletzungen und die Zweckentfremdung von Rechtsnormen zur Stabilisierung autoritärer Machtstrukturen auszeichnen. Ausgerechnet bei Carl Schmitt, dem sogenannten „Kronjuristen des Dritten Reiches“, findet sich eine Untersuchung der systematischen Instrumentalisierung von Rechtsnormen zur Stabilisierung und Legitimation autoritärer Herrschaftsstrukturen und damit gegebenenfalls eine theoretische Grundlage für das Verständnis der Machtmechanismen in Unrechtsstaaten. Jürgen Habermas wiederum entwickelt in seinen Überlegungen zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit normative Maßstäbe, die sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit Unrechtsstaaten als auch deren rechtliche und gesellschaftliche Bewältigung ermöglichen.
Von der Rechtswillkür in totalitären Systemen bis hin zu subtileren Formen staatlichen Machtmissbrauchs beleuchtet das Seminar die Merkmale, Funktionsweisen und Schwächen von Unrechtsstaaten aus einer rechtswissenschaftlichen sowie interdisziplinären Perspektive. Im Fokus stehen zudem die juristischen, politischen und gesellschaftlichen Strategien zur Aufarbeitung und Bewältigung der Folgen solcher Systeme.
Ausgehend von historischen Beispielen wie der nationalsozialistischen Herrschaft und der DDR werden auch aktuelle Fragestellungen diskutiert: Welche rechtlichen und politischen Mittel stehen zur Verfügung, um Unrecht aufzuarbeiten? Wie kann die Rechtsstaatlichkeit in Übergangsprozessen gestärkt werden? Und welche Rolle spielen Mechanismen wie Transitional Justice, Wiedergutmachung und Verfassungsreformen?
Die thematische Breite des Seminars erstreckt sich von den theoretischen Grundlagen des Rechts- und Unrechtsstaats über die juristische Aufarbeitung von Systemverbrechen bis hin zur Analyse gegenwärtiger Konflikte, in denen Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Besondere Aufmerksamkeit wird auch der Bedeutung von internationalen Institutionen und völkerrechtlichen Normen in Transformationsprozessen gewidmet.
Es handelt sich um ein Blockseminar, dem einzelne Veranstaltungstermine während des Semesters vorangehen. Das Seminar gibt Gelegenheit, neben Übungsseminararbeiten auch Wissenschaftliche Arbeiten in den Schwerpunktbereichen 1, 4 und 6 zu verfassen. Referate können auch über einschlägige Werke verfasst werden, in der Art eines Literaturberichts oder einer Rezension. Literaturhinweise und Terminfestlegung erfolgen in der Vorbesprechung. Raum und Zeit hierfür werden noch bekanntgegeben.
Bitte melden Sie sich bei Interesse per E-Mail unter tim.niendorf@uni-jena.de und anschließend in Friedolin für die Veranstaltung an. Anmeldungen für die Wissenschaftlichen Arbeiten müssen bis zum 28. Februar 2025 erfolgen. Die Anmeldung für Übungsseminararbeiten ist auch nach dem 28.02.2025 möglich.
Studierende, die ihre Wissenschaftliche Arbeit im Seminar schreiben, erhalten nach der Anmeldung ein Formular, das ausgefüllt per E-Mail zusammen mit einer eingescannten Datei des Übungsseminarscheins zurückzuschicken ist. Melden sich zudem bitte in Friedolin sowohl für das ÜbungsseminarExterner Link als auch das gleichnamige ExamensseminarExterner Link an.