Tiflis

2. Deutsch-georgisches Strafrechtsprojekt (2016-2021)

Die Internationalisierung und Europäisierung des georgischen Strafprozesses als Problem und als Aufgabe
Tiflis
Foto: Privat

Über das Projekt

Das Ziel dieses Projekts (2016 – 2021) war die Förderung des rechtswissenschaftlichen Nachwuchses in Georgien auf dem Gebiet des internationalen und europäischen Strafverfahrensrechts. Prof. Dr. Edward Schramm (Friedrich-Schiller-Universität Jena) hat das Projekt in Deutschland und Assoz. Prof. Dr. Giorgi Tumanishvilli (Staatliche Iwane-Dschawachischwili-Universität, TSU, Tbilisi), LL. M. (FU Berlin), in Georgien geleitet. Es endete im Frühjahr 2021.

Innerhalb des ersten, ebenfalls von der VW-Stiftung geförderten Projekts (Projektleiter: Prof. Dr. Dr. h. c. Heiner Alwart, FSU) wurden in den Jahren 2006 bis 2013 unter anderem ein Lehrbuch zum georgischen Strafrecht sowie ein modernes Curriculum der Strafrechtsausbildung an der Juristischen Fakultät der TSU Tbilisi geschaffen. Nach der „Theorie des Strafrechts“ im materiell-strafrechtlich ausgerichteten 1. deutsch-georgischen Strafrechtsprojekt folgte im 2. Projekt der Übergang zur „Theorie und Praxis des Strafverfahrensrechts“ in der georgischen Strafrechtspflege. Den thematischen Gegenstand bildete das georgische Strafverfahren, das mannigfaltigen, disparaten Einflüssen angloamerikanischer, kontinental europäischer, traditionell georgischer und sowjetischer Strafprozesskultur ausgesetzt ist. Im Zentrum stand dabei die Internationalisierung und insbesondere Europäisierung des georgischen Strafprozessrechts in Gegenwart und Zukunft, auch mit Auswertung des kürzlich mit Georgien abgeschlossenen EU-Assoziierungsabkommens.

Das 2. deutsch-georgische Strafrechtsprojekt bestand aus einem dreistufig strukturierten Studien- und Graduiertenprogramm, das alle drei Ebenen des rechtswissenschaftlichen Nachwuchses berührte und sich an Studierende, Doktoranden und assoziierte bzw. assistierende Postdocs richtete. Auf der Ebene der Promotion bzw. des postgradualen Studiums wurden innerhalb des gesteckten Forschungsrahmens vier dreijährige Promotionsstipendien an exzellente Bewerberinnen und Bewerber aus der TSU und aus anderen erstrangigen Universitäten in Georgien vergeben. Erfolgreich gefördert wurden die Doktoranden Frau Tamar Gegeshidze (Dr. jur. 2020), Herr Giorgi Mirianashvili (Dr. jur. 2020), Frau Katia Tandilashvili (Dr. jur. 2021) und Frau Nino Kutsia. Außerdem erhielten insgesamt sechs georgische Promotionsstudierende Stipendien für einen mehrmonatigen Aufenthalt an der Universität Jena sowie der Humboldt Universität zu Berlin. Auf der Ebene des Studiums wurde im Sommer 2017 eine Sommerschule zum europäischen und internationalen Strafverfahrensrecht in Batumi veranstaltet, die sich an Studierende aus Georgien sowie georgische Doktoranden richtete. Auf der Ebene der promovierten Strafrechtswissenschaftler ist schließlich ein Handbuch zum internationalisierten (georgischen) Strafprozessrecht als gemeinsames Arbeitsergebnis der georgischen Rechtswissenschaftler, Postdoktoranden und Doktoranden sowie der beteiligen deutschen Strafrechtswissenschaftler entstanden. Das Handbuch ist im Dezember 2019 erschienen.

Als Projektpartner wirkten auf georgischer Seite in besonders intensiver Weise Prof. Dr. Bachana Jishkariani (University of Georgia, Tbilisi) und auf deutscher Seite Prof. Dr. Bernd Heinrich (Universität Tübingen) und Prof. Dr. Martin Heger (Humboldt Universität Berlin) mit. Damit leistete dieses Projekt zugleich einen Beitrag zur Internationalisierung der deutschen und georgischen Hochschullandschaft in Gestalt einer vernetzten Kooperation der beteiligten Universitäten von Tbilisi, Jena, Tübingen und der Humboldt Universität Berlin. Zudem haben Prof. Dr. Dr. h. c. Heiner Alwart und Prof. Dr. Merab Turava, Präsident des Verfassungsgerichtshofs von Georgien, das Projekt als Berater begleitet.

Die VolkswagenStiftung ermöglichte innerhalb der Förderinitiative „Zwischen Europa und Orient - Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft" mit rund 250.000 Euro Fördermittel dieses wissenschaftliche Vorhaben der Universität Jena.

 

ქართული სისხლის სამართლის პროცესის ინტერნაციონალიზაცია და ევროპანიზაცია, როგორცპრობლემა და ამოცანა

პროექტის მიზანი (2016 - 2021 წწ.) იყო ქართველი ახალგაზრდა  მკვლევარებისა და  მეცნიერებისხელშეწყობა საერთაშორისო და ევროპული სისხლის სამართლის სფეროში. თემატური აქცენტიგაკეთდა  ქართული სისხლის საპროცესო სამართლის მიმდინარე და სამომავლო ინტერნაციონალიზაციასა და განსაკუთრებით ევროპეიზაციაზე, მათ შორის საქართველო-ევროკავშირის ასოცირების შეთანხმებაზე (2014).

პროექტი შედგებოდა სამ საფეხურიანი სტრუქტურირებული სტუდენტური და კუსდამთავრებულებისპროგრამისგან, რომელიც აერთიანებდა სამართალმცოდნეობის სწავლების სამივე დონეს და მიმართული იყო როგორც სტუდენტებზე და დოქოტანტებზე, ასევე ასოცირებულ და ასისტენტ პროფესორებზე. პროექტი ასევე ითვალისწინებდა სტიპენდიებს გამორჩეული დოქტორანტებისთვის, საზაფხულო სკოლასა და ერთობლივი სახელმძღვანელოს  შემუშავებას  სახელწოდებით ,,ევროპული და საერთაშორისო სამართლის ზეგავლენა ქართულ სისხლის საპროცესო სამართალზე“, რომელიცსაბოლოოდ გამოქვეყნდა 2019 წლის დეკემბერში. პროექტის ფარგლებში დაუფინანსდათ სადოქტორო კვლევა ქართველ დოქტორანტებს თამარ გეგეშიძეს (ამჟამად სამართლის დოქტორს),  გიორგი მირიანაშვილს (ამჟამად სამართლის დოქტორს),  ხატია თანდილაშვილს (ამჟამად სამართლის დოქტორს) და ნინო კუციას. პროექტის ხელმძღვანელი იყო გერმანიაში პროფესორი დოქტორი ედვარდ შრამი (ფრიდრიხ შილერის უნივერსიტეტი, იენა) და საქართველოში პროფესორიდოქტორი გიორგი  თუმანიშვილი (ივანე ჯავახიშვილის სახელობის თბილისის სახელმწიფოუნივერსიტეტი), LL. M. (ბერლინის თავისუფალი უნივერსიტეტი).

ფოლკსვაგენის ფონდმა დააფინანსა ეს სამეცნიერო პროექტი თავისი ინიციატივის  "ევროპასა დააღმოსავლეთს შორის - კვლევა და უმაღლესი განათლება ცენტრალურ აზიასა და კავკასიაში"ფარგლებში.

 

The Internationalization and Europeanization of the Criminal Procedure in Georgia as a problem and task

The aim of this project (2016 ‐ 2021) was to promote young legal scholars and scientists of Georgia in the field of international and European criminal law. The thematic focus was on internationalization and especially Europeanisation of Georgian criminal procedural law in the present and future, including the Georgia-EU Association Agreement (2014).

The project consisted of three‐stage structured student and a graduate program that integrated all three levels of law education, namely students, postgraduates and associate and assistant professors, and included scholarships for outstanding doctoral students, a summer school, and the joint elaboration of a basic manual for internationalized (Georgian) Criminal Procedure Law which was finally published in December 2019. The Georgian doctoral students Tamar Gegeshidze (currently Ph.D. in Law), Giorgi Mirianashvili (currently Ph.D. in Law), Katia Tandilashvili (currently Ph.D. in Law) and Nino Kutsia were successfully funded. The leaders of the project from Germany were Prof. Dr. Edward Schramm (Friedrich Schiller University Jena) and from Georgia Prof. Dr. Giorgi Tumanishvilli (Ivane Javakhishvili State University, Tbilisi), LL. M. (FU Berlin).

The VolkswagenStiftungExterner Link (Volkswagen Foundation) funded this scientific project within its initiative "Between Europe and the Orient - A Focus on Research and Higher Education in/on Central Asia and the Caucasus".Externer Link

  • Handbuch "Das georgische Strafverfahrensrecht unter dem Einfluss des europäischen und internationalen Rechts" (open access)

    Cover Handbuch

    Foto: Privat

    Tumanishvili, Giorgi / Jishkariani, Bachana / Schramm, Edward (Hrsg.): Das georgische Strafverfahrensrecht unter dem Einfluss des europäischen und internationalen Rechts. Tbilisi 2020, Meridian Verlag.

    Am 25. März 2020 ist das projektabschließende Handbuch "Das georgische Strafverfahrensrecht unter dem Einfluss des europäischen und internationalen Rechts" erschienen. Open Access: Das gesamte Handbuch kann hier kostenlos heruntergeladen werden: Downloadpdf, 2 mb

    Dieses Handbuch bildet den wissenschaftlichen und publizistischen Abschluss des zweiten deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts. Durch das Handbuch werden die strafrechtswissenschaftlichen Erkenntnisse, die in den drei Arbeitstreffen des Projekts (in Tbilisi 2016, Jena/Berlin 2017 und Tübingen/Straßburg 2018) sowie in den geförderten Promotionen gewonnen wurden, in einem Werk gebündelt, bewahrt und manifestiert. Die Herausgeber des Handbuchs sind froh und glücklich, dass dieses Werk mit seinen 29 Autorinnen und Autoren - 24 aus Georgien und 5 aus Deutschland - vollendet wurde und nun der interessierten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden kann.

    Das Inhaltsverzeichnis des Werks finden Sie hier: Downloadpdf, 66 kb

     

    Folgende Autoren  haben für das Handbuch Beiträge verfasst:

    Rati Akhalaia, University of Georgia; Prof. em. Dr. Dr. h.c. Heiner Alwart, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Assoc. Prof. Dr. Irina Aqubardia, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Dr. Giorgi Dgebuadze, Dozent, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Assoc. Prof. Dr. Irakli Dvalidze, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Tamar Gegeshidze, Doktorantin, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Giorgi Giorgadze, Doktorand, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Prof. Dr. Martin Heger, Humboldt-Universität zu Berlin; Prof. Dr. Bernd Heinrich, Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Assoc. Prof. Dr. Bachana Jishkariani, LL.M. (München), University of Georgia; Iza Kelenjeridze, Doktorandin, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Richterin Amtsgericht Tbilisi; Giorgi Keratishvili, Doktorand, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Richter Amtsgericht Tbilisi; Ass.-Prof. Dr. Levan Kharanauli, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Ass.-Prof. Dr. Irine Kherheulidze, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Nino Kutsia, LL.M. (Köln), Doktorandin, University of Georgia; Prof. Dr. Florian Knauer, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Assoc. Prof. Dr. Tamar Laliashvili, Grigol Robakidze University, Richterin a.D., Oberster Gerichtshof Georgien; Assoc. Prof. Dr. Lavrenti Maglakelidze, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Richter Amtsgericht Tbilisi; Giorgi Mirianashvili, Doktorand, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Ana Nasrashvili, LL.M. (Köln), Doktorandin, University of Georgia; Anri Okhanashvili, LL.M. (Jena), Doktorand, Humboldt-Universität zu Berlin, Assistent, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Vorsitzender des Rechtsausschusses Parlament Georgiens; Prof. Dr. Lali Papiashvili, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Richterin a.D., Verfassungsgericht Georgiens; Prof. Dr. Edward Schramm, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Assoc. Prof. Dr. Moris Shalikashvili, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Natia Songulia, LL.M. (Köln), Doktorandin, University of Georgia; Khatia Tandilashvili, LL.M. (Potsdam), Doktorandin, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Assoc. Prof. Giorgi Tumanishvili, LL.M. (FU Berlin), Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Ass.-Prof. Dr. Temur Tskitishvili, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi; Prof. Dr. Merab Turava, Ivane Javakhishvili Staatliche Universität Tbilisi, Verfassungsrichter und Präsident des Verfassungsgerichts von Georgien.  

  • Drittes Arbeitstreffen in Straßburg und Tübingen

    Tagungsbericht zum 3. Arbeitstreffen des zweiten deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts März 2018 (Straßburg, Frankreich und Tübingen, Deutschland)

    Von Paul Andreas Glatz, wissenschaftlicher Mitarbeiter  an der Friedrich-Schiller-Universität (Jena)

     

    Für das dritte Arbeitstreffen des zweiten deutsch-georgischen Arbeitsprojekts kamen die Teilnehmer in Straßburg, Frankreich, und Tübingen, Deutschland, zusammen. Das Projekt und seine Förderung durch die Volkswagenstiftung wurden bereits in einem Beitrag von Prof. Dr. Edward Schramm und Prof. Dr. Giorgi Tumanishvili in der DGStZ 2016, Heft 2, S. 30 – 31 ausführlich dargestellt. Das dritte Arbeitstreffen folgt auf die Summerschool in Batumi, Georgien. Der Tagungsbericht zur Summerschool kann der DGStZ 2017, Heft 2, S. 46 – 48 entnommen werden.  

    Das dritte Arbeitstreffen stand ganz im Zeichen der europäischen und europarechtlichen Einflüsse auf das nationale Strafprozessrecht in Georgien und Deutschland. In diesem Sinne stellten die beiden Austragungsorte im Herzen Europas  eine geeignete Bühne dafür dar, was im Zuge der Rechtsangleichung und der justiziellen Zusammenarbeit erreicht werden kann. Die Teilnehmer des Arbeitstreffens konnten Institutionen der europäischen Gerichtsbarkeit und der Europäischen Union besuchen und anschließend deren Einflüsse auf das Strafprozessrecht vorstellen und diskutieren. 

    Aus Deutschland nahmen Prof. Dr. Bernd Heinrich (Eberhard-Karls-Universität Tübingen), seines Zeichens auch Organisator des Arbeitstreffens vor Ort, Prof. Dr. Edward Schramm (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Prof. Dr. Dr. h. c. Heiner Alwart (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Prof. Dr. Jörg Eisele (Eberhard-Karls-Universität Tübingen), Dr. Ketevan-Mtschedschwili-Hädrich (Friedrich-Schiller-Universität Jena) und Dr. Anneke Petzsche (Humboldt-Universität Berlin) sowie Johanna Antoni, Nadja Müller und Paul Andreas Glatz, alle drei Mitarbeiter von Prof. Schramm an der FSU Jena, und Elizbar Nizharadze, Student von Prof. Heinrich an der Universität Tübingen, an dem Arbeitstreffen teil. Auf georgischer Seite reisten Prof. Dr. Bachana Jishkariani (University of Georgia, Tiblissi) und Prof. Dr. Merab Turava (Richter am Georgischen Verfassungsgericht) sowie Khatia Tandilashvili, Tamar Gegeshidze, Nino Kutsia, Ana Nasrashvili und Giorgi Mirianashvili, allesamt georgische Doktoranden, zum Arbeitstreffen an.

    Am Montag, den 12. März.2018, trafen die georgischen und deutschen Teilnehmer in Straßburg ein. Nach einem kurzen Rundgang durch die Altstadt besuchten die Tagungsteilnehmer das Europäische Parlament. Die Gruppe wurde vom Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Herrn Rainer Wieland (CDU), empfangen. Nach einer kurzen Führung durch die Räumlichkeiten des Parlaments konnten sich die Tagungsteilnehmer in einem einstündigen Gespräch mit Herrn Wieland über die aktuelle Arbeit des Europäischen Parlaments, dessen Bedeutung für die Europäische Idee und dessen Einfluss auf die Rechtsangleichung im Bereich des Strafrechts austauschen. Abschließend besuchte Gruppe eine Plenarsitzung des Europäischen Parlaments, um einen Einblick in die Arbeitsweise und Diskussionskultur des Parlaments zu gewinnen.

    Dienstag, der 13. März 2018, stand ganz im Zeichen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Tagungsgruppe traf sich im beeindruckenden, großen Verhandlungssaal des EGMR mit der Vize-Präsidentin des EGMR und die für Deutschland gewählte Richterin, Frau Prof. Dr. Angelika Nußberger, sowie mit den für Georgien gewählten Richter, Herrn Prof. Dr. Lado Tschanturia. Beide Richter erläuterten ihre Arbeit im EGMR und diskutierten mit den Tagungsteilnehmern lebhaft und intensiv aktuelle Rechtsfragen im Kontext der Arbeit des EGMR. Nach dem Besuch des EGMR ging es per Zug nach Tübingen.

    Am Mittwoch, den 14. März 2018, begrüßte Prof. Dr. Heinrich die Tagungsteilnehmer in Tübingen. Nach einer kurzen Führung durch die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, seinen Lehrstuhlräumlichkeiten und der juristischen Bibliothek eröffnete Prof. Heinrich im Sitzungssaal des Großen Senats der Universität Tübingen den Vortragsteil des Tagungstreffens mit einem Vortrag zur „Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention“. Dabei stellte Prof. Heinrich vor allem das Spannungsfeld zwischen dem Recht der Europäischen Union und dem Recht der Europäischen Menschenrechtskonvention dar und erläuterte potentielle Vorteile und Probleme eines Beitritts der EU als eigenständigen Akteur zum Europarat. In der anschließenden Diskussion wurde vor allem die Stellung der Europäischen Menschenrechtskonvention im deutschen Recht erläutert. In Anschluss an diesen Vortrag sprach Frau Khatia Tandilashvili über die „Effektive Untersuchung anhand des EGMR-Urteils Girgvliani und Enukidze gegen Georgien“. Nach einer eindrücklichen Schilderung des ermittelten Sachverhalts besprach sie ausführlich die in diesem Fall zu Tage getretenen Verstöße gegen den Grundsatz effektiver Ermittlungen. Frau Tandilashvili zeigte auch in der anschließenden Diskussion Ihre umfangreichen Kenntnisse zu diesem Fall und dessen rechtlichen Problemen.

    Nach der Mittagspause trug Dr. Anneke Petzsche zum Thema „Was kommt nach der Furcht? – Die deutsche(n) Reaktion(en) auf die Rechtsprechung des EGMR zur polizeilichen Tatprovokation“ vor. Dabei stellte Sie zunächst die rechtliche Situation in Deutschland vor um danach die vom Europäischen Gerichtshof vorgeschlagenen Rechtsfolgen zur polizeilichen Tatprovokation zu erläutern. Im Ergebnis plädierte Dr. Petzsche für eine Rechtsprechung, welche sich streng an den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention orientiert. Anschließend referierte Dr. Ketevan-Mtschedschwili-Hädrich zum Thema „Die Befolgungspflicht und die Rechtskraft der EGMR-Entscheidungen – inter partes oder inter omnes?“. Sie betonte die Notwendigkeit einer Wirkung inter omnes und appellierte an die diesbezügliche Verantwortung der Mitgliedsstaaten des Europarates. Trotzdem wurden in der anschließenden Diskussion auch mögliche Alternativen zur inter omnes Wirkung besprochen.

    Prof. Dr. Merab Turava erläuterte danach „Den Einfluss der EMRK auf die Verfassungskontrolle und Justiz in Georgien“. Dazu gab er einen Überblick über die Entwicklung Georgiens hin zur Mitgliedschaft im Europarat und zur Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Als Richter am georgischen Verfassungsgericht gab Prof. Turava wertvolle Einblicke in die Arbeit des georgischen Verfassungsgerichts und dessen Umgang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zum Abschluss des langen Vortragstages sprach Frau Nino Kutsia über „Die Bedeutung der Unschuldsvermutung in Georgien und die entsprechenden Vorgaben der EMRK“. Dabei ging sie insbesondere auf die Besonderheiten der Unschuldsvermutung im angloamerikanisch geprägten, georgischen Strafprozessrecht ein.

    Am Donnerstag, den 15. März 2018, wurden die Vorträge durch Prof. Dr. Jörg Eisele und seinem Referat zum Thema „Folterverbot nach Art. 3 EMRK im deutschen Strafverfahren“ abgerundet. Dabei konzentrierte er sich vor allem auf einen Vergleich des Folterverbots im deutschen Recht und innerhalb der Europäischen Konvention der Menschenrechte. Prof. Dr. Dr. h. c. Heiner Alwart sprach als letzter Vortragender über „Ergebnisoffene Jurisprudenz: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Problem richterlicher Selbstbeschränkung – am Beispiel des Inzest-Urteils vom 12.04.2012“. Dabei konzentrierte sich Prof. Alwart auf rechtsphilosophische Betrachtungen. Er wies auf das Problem der Konsensfindung innerhalb des Europarates hin und betonte, dass es hinsichtlich eines Inzestverbotes keine einheitliche Strafbarkeit in den Staaten des Europarates gibt. Als Konsequenz erhob Prof. Alwart einen leidenschaftlichen Appell für die unabhängige Rolle der Rechtswissenschaft auch gegenüber der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

    Nach dem Mittagessen und einer kurzen Führung durch die Tübinger Altstadt wurde der aktuelle Stand des Handbuchs erläutert, das nächstes Jahr erscheinen soll und in dem die  Erkenntnisse dieses rechtvergleichenden Strafrechtsprojekts zusammengefasst und präsentiert werden sollen.   

    Am Freitag, den 16. März 2018, klang das Tagungstreffen bei einem gemeinsamen Besuch des Klosters Bebenhausen bei Tübingen aus. Nach der beeindruckenden Klosterführung reisten die Tagungsteilnehmer wieder nach Georgien bzw. zu ihren deutschen Heimatuniversitäten ab.

    Das Tagungstreffen verband die Vorzüge der beiden Tagungsorte Straßburg und Tübingen. In Straßburg konnten die Tagungsteilnehmer das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kennenlernen, sich von führenden Mitgliedern dieser Institutionen ihre Arbeitsweise erläutern lassen und ein Gefühl dafür entwickeln, in welchen Rahmen die Entscheidungen getroffen werden, die so maßgeblichen Anteil an der Europäisierung des georgischen Strafprozessrechts haben. In Tübingen konnten in den würdigen Räumlichkeiten der Eberhard-Karls-Universität die wissenschaftlichen Aspekte der Tagung besprochen werden. Zudem konnte die Organisation der Handbuchbeiträge entscheidend vorangetrieben werden.

    Einen besonderen Dank möchten wir an dieser Stelle an Prof. Dr. Bernd Heinrich und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Lehrstuhls richten, welche die Tagung sowohl in Straßburg als auch Tübingen reibungslos organisiert haben. Zudem gilt ein besonderer Dank Herrn Elizbar Nizharadze, einem Studenten von Prof. Heinrich an der Universität Tübingen, der sich während der Tagung als Dolmetscher für die georgischen Tagungsteilnehmer verdient gemacht hat.

    Das nächste und abschließende Treffen des deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts wird voraussichtlich im Herbst 2019 in Tiblissi stattfinden. Bei ihm wird, so die Vorstellung der Projektpartner, das abschließende Handbuch des europäisierten und internationalisierten georgischen Strafverfahrensrechts innerhalb einer deutsch-georgischen Strafrechtslehrertagung der akademischen und justiziellen Öffentlichkeit in Georgien vorgestellt werden.

  • Summerschool des zweiten deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts in Batumi

    Tagungsbericht zur Summerschool des zweiten deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts September 2017 (Batumi, Georgien)

     

    Von Nino Kutsia, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Georgia (Tblissi), und Paul Andreas Glatz, wissenschaftliche Hilfskraft an der Friedrich-Schiller-Universität (Jena)

    I.

    Batumi am Schwarzen Meer, die zweitgrößte Stadt Georgiens, war vom 11. bis 16. September 2017 Austragungsort der Summerschool des 2. deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts. Das Projekt und seine Förderung durch die Volkswagenstiftung wurden bereits in einem Beitrag von Prof. Dr. Edward Schramm und Prof. Dr. Giorgi Tumanishvili in der DGStZ 2016, Heft 2, S. 30 – 31 ausführlich dargestellt. Die Summerschool folgt auf das zweite Arbeitstreffen des Projekts in Jena und Berlin im März 2017. Der Tagungsbericht zu diesem Treffen kann der DGStZ 2017, Heft 2, S. 46 – 48 entnommen werden.  

    Die Summerschool hatte das Ziel, georgischen Studierenden in Vorlesungen von deutschen und georgischen Dozenten einen Einblick in die Grundzüge und spezifisch strafprozessuale Fragestellungen des Europäischen und Internationalen Strafprozessrechts sowie des Völkerstrafrechts zu ermöglichen und diese Themen zu diskutieren.

    Aus Deutschland reisten Prof. Dr. Edward Schramm (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Prof. Dr. Bernd Heinrich (Eberhard-Karls-Universität Tübingen) und Prof. Dr. Martin Heger (Humboldt-Universität Berlin) sowie Johanna Antoni und Paul Andreas Glatz an, beide Mitarbeiter von Prof. Schramm an der FSU Jena. Auf georgischer Seite wurde die Summerschool von Prof. Dr. George Tumanishvili (TSU Tblissi), Prof. Dr. Bachana Jishkariani (University of Georgia, Tblissi) und Khatia Tandilashvili, eine Doktorandin von Prof. Tumanishvili an der TSU Tbilissi, organisiert sowie durch Prof. Dr. Merab Turava (Richter am Georgischen Verfassungsgericht) und Prof. Dr. Irakli Dvalidze (TSU Tblissi) begleitet. An der Summerschool nahmen insgesamt achtzehn georgische Studierende und Doktoranden der TSU Tblissi, der University of Georgia und der Universität Kutaissi teil.  Die Veranstaltungen fanden in Räumlichkeiten des georgischen Verfassungsgerichts in Batumi statt.

    II.

    Am Montag, den 11.09.2017, trafen die georgischen und deutschen Teilnehmer in Batumi ein und stellten sich einander bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im Verhandlungssaal des georgischen Verfassungsgerichts und bei einem anschließenden Abendessen vor.

    III.

    Dienstag, der 12.09.2017, stand als erster Vorlesungstag ganz im Zeichen des Europäischen Strafrechts. Prof. Heger eröffnete die Summerschool mit Vorlesungen zu den Grundzügen des Europäischen Strafrechts, den Strafrechtssetzungskompetenzen der Europäischen Union und dem Europäischen ne bis idem. Dabei ging er insbesondere auf aktuelle Entwicklungen hinsichtlich des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung und den Befugnissen der EU zum Erzwingen von Äderungen in nationalstaatlichen Straf- und Strafprozessgesetzbüchern ein. Nach umfangreichen Diskussionen mit den Studierenden brachte Prof. Heger die Auffassung zum Ausdruck, dass die Einführung einer Europäischen Staatsanwaltschaft eine wichtige Voraussetzung für eine weitere Harmonisierung des Europäischen Rechts ist.

    Nach dem Mittagessen stellte Prof. Schramm die Europäischen Strafverfolgungsinstitutionen vor. Zu Beginn dieses Vortrags diskutierte Prof. Schramm mit den Studierenden, welche Erwartungen und Hoffnungen sie mit einem Beitritt Georgiens zur EU verbinden. Danach wurden die Aufgaben, Befugnisse und Arbeitsweisen der Institutionen OLAF, Europol, EuroJust, Joined Investigation Teams und des Europäischen Justiziellen Netzes dargestellt. Anschließend gab Prof. Schramm einen Ausblick auf die Pläne und den Diskussionsstand zur Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft.

    IV.

    Am Mittwoch, den 13.09.2017, wurde das Europäische Strafrecht weiter diskutiert. Prof. Heger erläuterte zunächst die große praktische Bedeutung des Europäischen Haftbefehls sowie die kontroversen politischen Diskussionen bei seiner Einführung und betonte, dass durch den Europäischen Haftbefehl die justizielle Zusammenarbeit von politischen hin zu juristischen Erwägungen bewegt hat. Anschließend stellte Prof. Schramm die Europäische Ermittlungsanordnung und deren gerade noch rechtzeitig erfolgten Umsetzung im deutschen Recht vor. Dabei betonte er, inwiefern die Europäische Ermittlungsanordnung den Europäischen Haftbefehl ergänzt. Am Nachmittag begann Prof. Heinrich mit seinem Vorlesungsblock zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Im ersten Teil konzentrierte er sich auf die Entwicklung der Konvention, die Arbeit des Europarates und das Folterverbot aus Art. 3 EMRK, welches anhand zahlreicher Fallbeispiele mit den Studierenden umfangreich diskutiert wurde.

    V.

    Am Donnerstag, den 14.09.2017, setze Prof. Heinrich seine Ausführungen zur EMRK fort, indem er detailliert auf Art. 5 EMRK, das Recht auf Freiheit, Art. 6 EMRK, das Recht auf ein faires Verfahren und auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts aus Art. 7 EMRK einging. Abschließend stellte Prof. Heinrich die Art. 19 bis 51 EMRK und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Organ zur strafprozessualen Durchsetzung der EMRK vor. Am Nachmittag widmete sich Prof. Dvalidze den Europäischen Einflüssen auf das georgische Straf- und Strafprozessrecht. Dazu stellte er insbesondere die Vorgaben an das georgische Strafrecht heraus und diskutierte detailliert deren Umsetzung im georgischen Recht. Prof. Dvalidze unterlegte seine Vorlesung mit ausführlichen Fallbeispielen aus der georgischen Rechtspraxis seit den Strafrechtsreformen in den Jahren 2005 und 2007.

    VI.

    Am Freitag, den 15.09.2017, widmeten sich am letzten Vorlesungstag der Summerschool Frau Antoni und Prof. Turava dem Völkerstrafrecht. Frau Antoni stellte die Grundlagen und Grundprinzipien des Völkerstrafrechts dar, indem Sie dessen historische Entwicklung anhand bedeutender Meilensteine aufzeigte, die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court - ICC) vorstellte und die Zuständigkeitsprobleme zwischen ICC und nationalstaatlichen Strafgerichtsbarkeiten erläuterte. Frau Antoni moderierte Anschließend eine umfangreiche Diskussion zu abgeschlossenen Prozessen des ICC und aktuelle Krisenherden.

    Prof. Turava widmete den ersten Teil seines Berichts dem allgemeinen und besonderen Teil des Internationalen Strafrechts sowie den Besonderheiten des internationalen Strafverfahrensrechts. Dabei betonte er die Wichtigkeit der Errichtung des Völkerstrafrechts als unabhängiges Rechtsgebiet. Im zweiten Teil des Berichts konzentrierte sich Prof. Turava auf den Internationalen Strafgerichtshof und auf das Römische Statut. Er prüfte eingehend die Besonderheiten der Straftaten für die der Gerichtshof gemäß Art. 5 des Römischen Statuts zuständig ist. Der letzte Teil des Berichts wurde im Diskussionsmodus durchgeführt, in welchem rechtliche Fragen der Zusammenarbeit Georgiens mit dem Internationalen Strafgerichtshof erörtert wurden.

    VII.

    Am Samstag, den 16.09.2017, erfolgte die offizielle Abschlussveranstaltung der Summerschool, welche von erheblichem medialem Interesse durch eine Fernsehteam und Fotografen begleitet wurde. Auf der Abschlussveranstaltung würdigte der Präsident des Georgischen Verfassungsgerichts, Herr Zaza Tavadze, die Bedeutung des Deutsch-Georgischen Strafrechtsprojekts und der Summerschool. Anschließend würdigte Prof. Schramm die Dozenten, Organisatoren und Teilnehmer der Summerschool für ihr außerordentliches Engagement und die ergiebigen fachlichen Diskussionen. Die Teilnehmer der Summerschool erhielten Teilnahmezertifikate und die Gelegenheit, ihre Einschätzung zu der Summerschool abzugeben. Am Abend klang die Summerschool dann auf Einladung des Präsidenten des Georgischen Verfassungsgerichts bei einem gemütlichen gemeinsamen Abendessen aus.

    Die Summerschool war sowohl fachlich als auch organisatorisch ein voller Erfolg und stellte eine gelungene Verbindung der Arbeit des deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts mit georgischen Studierenden dar. Batumi hat sich als sehr geeigneter Austragungsort erwiesen. Das internationale Flair Batumis, die gastfreundlichen Menschen und die würdevolle Umgebung des Verfassungsgerichts haben die Summerschool bereichert. Den deutschen Teilnehmern wurden zudem besondere Höhepunkte Batumis durch Herrn Elizbar Nizharadze nähergebracht, einem Studenten von Prof. Heinrich an der Universität Tübingen, der zur Zeit der Summerschool seinen Urlaub in Batumi verbrachte. Einen besonderen Dank möchten wir auch an dieser Stelle an Frau Khatia Tandilashvili und Prof. Dr. Jishkariani richten, die vor Ort mit großem Einsatz für den reibungslosen Ablauf der Summerschool gesorgt haben.

     

    ________________________________________________________________________________________

    Eine georgische wie deutsche Version dieses Berichts kann auch in der DGStZ, Ausgabe 2018-01, S: 30-32 eingesehen werden. Sie erreichen die DGStZ u.a. unter der Emailadresse www.dgstz.deExterner Link.

  • Zweites Arbeitstreffen in Jena und Berlin

    Tagungsbericht des zweiten Arbeitstreffens des zweiten deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts März 2017 (Jena/Berlin)

     

    Von Paul Andreas Glatz und Franz-Peter Helbig, wissenschaftliche Mitarbeiter an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

     

    Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Humboldt Universität Berlin waren vom 15. bis 19. März 2017 die Austragungsorte des zweiten Arbeitstreffens des 2. deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts. Das Projekt und seine Förderung durch die Volkswagenstiftung wurde bereits in einem Beitrag von Prof. Dr. Edward Schramm und Prof. Dr. Giorgi Tumanishvili in der DGStZ 2016, Heft 2, S. 30 – 31Externer Link ausführlich dargestellt. Das zweite Arbeitstreffen hatte nun zum Ziel, den Fortschritt der Stipendiaten und Handbuchautoren auf Ihren Forschungsgebieten darzustellen sowie die wissenschaftlichen Kontakte zwischen den Projektbeteiligten weiter zu fördern. Am 15. März 2017 trafen die georgischen und deutschen Teilnehmer in Jena ein und verschafften sich zunächst vom Dach des JenTowers, im 24. Stockwerk, einen Überblick über die Universitätsstadt. Der Anreisetag klang entweder bei einem Konzert der Jenaer Philharmonie im Jenaer Volkshaus oder einer Rockmusikpräsentation im Jenaer Planetarium aus.

     

    I.

    Der erste Arbeitstag stand ganz im Zeichen des wissenschaftlichen Diskurses im Senatssitzungssaal des Universitätshauptgebäudes der FSU Jena. Nach Grußworten durch den Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FSU Jena, Prof. Walter Pauly, und der Leiterin des Internationalen Büros der FSU Jena, Frau Dr. Claudia Hillinger, eröffnete Prof. Schramm (FSU Jena) das Arbeitstreffen mit seinem Vortrag „Georgiens Strafrecht auf dem Weg nach Europa“. Dabei wurde die georgische Geschichte, insbesondere mit Blick auf den Abschluss und die Hintergründe des Assoziierungsabkommens zwischen Georgien und den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausführlich erläutert und gewürdigt. Nach dieser Einführung setzten Frau Ana Nasrashvili (TSU Tbilissi), eine Stipendiatin des Projekts, und Prof. Bachana Jishkariani (UG und TSU Tbilissi) das Arbeitstreffen mit Ihren Vorträgen zur Europäisierung des georgischen Strafprozesses fort. Frau Nasrashvilis Vortrag behandelte die Neuregelungen des georgischen Strafverfahrensrechts, die seit 2014 nach dem Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens zwischen der europäischen Union und Georgien eingeführt wurden. Dabei legte Frau Nasrashvili dar, inwieweit die zu harmonisierenden Bereiche des Strafverfahrensrechts entsprechend des Assoziierungsabkommens durch die nationalen Aktionspläne 2014-2016 zwischen der EU und Georgien konkretisiert wurden. So wurden die Europäisierung zu Absprachen im Verfahren, Opferrechten, die Verbesserung der Parteigleichheit, der Schaffung eines höheren Schutzstandards der personenbezogenen Daten und in der Reform des georgischen Jugendgerichtsystems dargestellt. Prof. Jishkariani besprach anschließend die Bedeutung der EMRK für das georgische Strafrecht, insbesondere am Beispiel der Prinzipien der Unschuldsvermutung, des fairen Verfahrens und des Gesetzlichkeitsgebots. Darüber hinaus stellte Prof. Jishkariani dar, welchen Rang die Konvention in der georgischen Gesetzessystematik einnimmt und wies auf Zusammenhänge und Unterschiede der Europäisierung im Rahmen der EU und des Europarates hin. Die kurze Mittagpause wurde durch einen kleinen Stadtrundgang mit Besuch des Denkmals von Paul Johann Anselm von Feuerbach und der historischen Aula des Universitätshauptgebäudes abgerundet.

    Am Donnerstagnachmittag wurden von Prof. Giorgi Tumanishvili (TSU Tbilissi) und Frau Khatia Tandilashvili (TSU Tbilissi), ebenfalls einer Stipendiatin des Strafrechtsprojekts, die Entwicklung der Rechtsstellung des Opfers in Georgien und die Funktion der Opferrechte im modernen georgischen Strafverfahren unter Berücksichtigung der europäischen Vorgaben erörtert. Prof. Tumanishvili gab einen Überblick über diese Entwicklung und ging dabei auch darauf ein, dass in Georgien im Oktober 2009 ein kontinental-europäisch geprägtes Strafverfahren abgeschafft und mit einem nach dem Muster des anglo-amerikanischen Strafverfahrens ausgearbeiteten Strafprozesskodex ersetzt wurde, weshalb er die Rechtsstellung des Opfers sowohl nach altem als auch nach dem reformierten Strafverfahrensrecht darstellte. Frau Tandilashvili machte deutlich, dass die EU im Jahr 2012 durch den Erlass der Opferschutzrichtlinie die Rechte des Opfers im Strafverfahren deutlich ausgeweitet hatte und im Zuge des Assoziierungsabkommens mit der EU aus dem Jahr 2014 nun auch Georgien zur Achtung der europäischen Rechtsvorschriften zu Opferrechten verpflichtet ist. Dem folgend hat Frau Tandilashvili die Vorschriften der Richtlinie und des georgischen Strafprozesskodexes miteinander verglichen und Feststellungen darüber getroffen, welche Ähnlichkeiten und Unterschiede sich ergeben, welche Gesetzeslücken im georgischen Strafprozesskodex existieren und wo Anpassungsbedarf besteht.

    Anschließend stellten Prof. Heiner Alwart (FSU Jena) und Prof. Jishkariani (TSU Tbilissi) den Problemkreis der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung im deutschen und georgischen Strafprozess vor. Prof. Alwart stellte klar, dass sich in der Gerichtsöffentlichkeit die allgemeine gesellschaftliche und politische Entwicklung widerspiegelt und sich ein fruchtbarer Zugang zum Verständnis der gegenwärtigen Problemlage lässt sich über den Aufklärer Paul Johann Anselm von Feuerbach und das Zensusdenken der damaligen Zeit finden lasse. Prof. Alwart formulierte schließlich die Erwartung, dass es in Zukunft darauf ankommen werde, für die Gerichtsöffentlichkeit eine Form zu prägen, in der die Strafjustiz mit ihrem Herzstück der Hauptverhandlung gegenüber den expansiven Tendenzen der Fernsehöffentlichkeit autonom bleiben kann. Prof. Jishkariani hat die Regelungen der georgischen Strafprozessordnung bzgl. der Teilnahme der Öffentlichkeit an den gerichtlichen Verhandlungen dargestellt sowie auf die, im Gegensatz zu Deutschland, in Georgien erlaubten Videoaufnahmen und sogar Live-Übertragungen hingewiesen. Diese erweiterte Öffentlichkeit werde seitens der georgischen Gesellschaft als Kontrollmechanismus gegenüber ihrer Justiz bewertet. Gleichzeitig wies Prof. Jishkariani aber auch darauf hin, dass durch diese Maßnahmen in einigen Fällen gegenüber den Angeklagten das Prinzip der Unschuldsvermutung verletzt werden könne. Eine kleine persönliche Bemerkung sei hier gestattet: Am Ende des arbeits- und diskussionsreichen Donnerstags stand eine kleine Feier für Prof. Jishkariani, dessen runder Geburtstag mit einem Geburtstagslied, einer großen Jenaer Buttercremetorte und vielen herzlichen Glückwünschen gefeiert wurde.

     

    II.

    Am zweiten Tag setzten die Teilnehmer den lebhaften Diskurs des Vortages im Fakultätssitzungssaal der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FSU Jena fort. Dabei stellten Prof. Moris Shalikashvili (TSU Tbilissi) und Prof. Florian Knauer (FSU Jena) die Europäisierung des Jugendstrafverfahrensrechts dar. Prof. Shalikashvili ging in seinem Vortrag darauf ein, dass im Juni 2015 vom georgischen Parlament der Kodex über die Jugendgerichtsbarkeit verabschiedet und damit ein großer Schritt in Richtung Europa gemacht wurde. Im Zuge seines Vortrags wies Prof. Shalikashvili auf einige Probleme in der praktischen Anwendung des Kodexes hin und forderte dem folgend Änderungen im georgischen Recht. Den Ausgangspunkt von Prof. Knauers Überlegungen bildete die Feststellung, dass die Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, des EU-Rechts und der Rechtsprechung des EGMR für das Jugendstrafrecht im Allgemeinen und den Erziehungsbegriff im Besonderen noch nicht hinreichend analysiert worden sei. Eine exemplarische Betrachtung des umfangreichen Materials zeige, so Prof. Knauer, dass die bisherigen Tendenzen in den untersuchten Bereichen so uneinheitlich seien, dass für die Entwicklung eines verfassungs- und europarechtlichen Erziehungsbegriffs weitere Forschungen erforderlich seien.

    Im nächsten Themenkomplex erläuterten Herr Franz-Peter Helbig (FSU Jena) und Frau Tamar Gegeshidze (TSU Tbilissi) die Europäischen Vorgaben zu neuen Medien im Strafverfahren und stellten sich den interessierten Fragen der Zuhörerschaft. Herr Helbig erörterte die Relevanz der Cybercrime-Convention, der Vorratsdatenspeicherung und der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung für das Strafverfahren, wobei er den strafprozessualen Zugriff auf Inhalts- und Verkehrsdaten unter Beachtung europäischer Vorgaben im transnationalen Kontext betrachtete. Vor diesem Hintergrund stellte er die Gesetzlage in Deutschland dar und zeigte bestehende Probleme auf. Dabei wies Herr Helbig auch auf aktuelle Auswirkungen für die internationale Rechtshilfe in Strafsachen hin. Abschließend diskutierte er anhand europäischer Vorgaben Ansätze für eine Reform, die auch die transnationale Zusammenarbeit erleichtern könne. Frau Gegeshidze referierte über die georgische Gesetzgebung und internationale Vorgaben für die Erhebung und Verwertung von Beweismitteln aus den modernen Kommunikationsmedien. Frau Gegeshidze stellte in diesem Rahmen Änderungen in der georgischen Gesetzgebung dar, welche darauf abzielen, ein hohes Niveau des Menschenrechtschutzes zu gewährleisten. Sie sprach außerdem Probleme an, die durch eine Entscheidung des georgischen Verfassungsgerichts vom 14.4.2016 auftraten, etwa den Zugriff zuständiger öffentlicher Stellen auf Kommunikationsanlagen oder die georgische Vorratsdatenspeicherung. Abschließend analysierte Frau Gegeshidze eine Gesetzesänderung vom März 2017, welche in Reaktion auf das zuvorderst besprochene Verfassungsgerichtsurteil erging.

     

    III.

    Am dritten Tag reisten die Teilnehmer der Tagung gemeinsam nach Berlin, um dort unter organisatorischer Leitung von Prof. Dr. Martin Heger (HU Berlin) in der Humboldt-Universität Berlin das Arbeitstreffen fortzusetzen. In der strafrechtswissenschaftlichen Bibliothek der HU stießen dann auch die Rechtswissenschaftler Herr Rati Akhalaia (University of Georgia) und Herr Giorge Chikhladze zu unserem Treffen hinzu. In der Folge wurden aktuelle Fragestellungen des georgischen Strafrechts und Völkerstrafrechts, insbesondere mit Blick auf den Kaukasuskrieg im Jahr 2008, von Herrn Dr. Giorgi Dgebuadze (TSU Tbilissi), Prof. Merab Turava (Richter am VerfGH Georgiens; TSU Tbilissi) und Dr. Boris Burghardt (HU Berlin) vorgestellt und diskutiert. Herr Dgebuadze erläuterte die Kriegshandlungen im Kaukasuskrieg näher und legte dabei ein Augenmerk auf Verstöße gegen das Völkerrecht durch die Konfliktparteien. Anschließend stellte er die Ergebnisse seiner Untersuchung zu der Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofs für die Vorgänge in diesem Konflikt dar. Prof. Turava gab einen Überblick über die neuesten Entwicklungen hinsichtlich der Zusammenhänge vom Völkerstrafrecht und der georgischen Gesetzgebung. Dabei betonte er explizit, inwiefern internationale und europäische Normen die georgische Gesetzgebung beeinflussen. Herr Dr. Burghardt gab anschließend einen Überblick über die Entstehung und die Grundzüge des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs. Sodann ging er detaillierter auf die bisherige völkerstrafrechtliche Praxis in Deutschland ein. Dabei betonte Herr Dr. Burghardt, dass die Generalbundesanwaltschaft die Tatbestände des VStGB inzwischen als ergänzendes Instrument in der strafrechtlichen Terrorismusbekämpfung für sich entdeckt habe – eine Entwicklung, die durchaus zwiespältig zu sehen sei. Schließlich beleuchtete Herr Dr. Burghardt das in § 13 VStGB geregelte Verbrechen der Aggression, das seit dem 1. Januar 2017 den Straftatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges gem. § 80 StGB a.F. ersetzt hat. Den Abschluss der wissenschaftlichen Präsentationen bildeten Vorträge von Prof. Heger (HU Berlin) und Herrn Giorgi Mirianishvili (TSU Tbilissi), ebenfalls ein Stipendiat des Strafrechtsprojekts, zur internationalen Rechtshilfe zur Verfolgung von Straftätern zwischen Deutschland und Georgien. Prof. Heger referierte über die Rechtshilfe innerhalb der EU aufgrund gegenseitiger Anerkennung am Beispiel des Europäischen Haftbefehls. Dabei lobte er die positiven Rückmeldungen aus der Rechtspraxis, die mit dem Europäischen Haftbefehl gute Erfahrungen gesammelt hat. Indes wies er ebenfalls auf die Probleme hin, die sich aus dem Vorbild des Herkunftslandprinzips und Übertragungen aus dem Wirtschafts- in das Strafrecht ergeben. Als letzter Redner des Arbeitstreffens hat Herr Mirianshvili zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Strafrechts zwischen den Mitgliedstaaten der EU und Georgien gemäß dem Assoziierungsabkommen vorgetragen. In seiner Analyse der aktuellen Situation wies er ausführlich auf Möglichkeiten hinsichtlich der Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen den Gerichten von EU-Mitgliedstaaten und Georgien hin.

    Das Projekt wird im September 2017 mit einer Summer-School in Batumi und im Jahr 2018 mit dem dritten Arbeitstreffen in Tübingen und Straßburg fortgeführt.

  • Erstes Arbeitstreffen in Tbilissi

    Georgien Bild

    Foto: Privat

    Das erste Arbeitstreffen des deutsch-georgischen Strafrechtsprojekts fand vom 7.9.2016 bis zum 11.9.2016 in Tbilissi (Tiflis) statt. Es wurde von Prof. Dr. Giorgi Tumanishvili (Staatlliche Universität Tiflis, TSU) als Projektleiter in Georgien und Prof. Dr. Bachana Jishkariani (University of Georgia, UG) als Projektpartner organisiert sowie von Prof. Dr. Merab Turava (TSU) als Berater begleitet. Auf deutscher Seite nahmen Prof. Dr. Edward Schramm (FSU Jena) als Projektleiter, Prof. Dr. Bernd Heinrich (Universität Tübingen) als Kooperationspartner und Paul Glatz (FSU Jena) teil.

    Während des Arbeitstreffens wurden drei Promotionsstipendien vergeben, die inhaltliche Gliederung des Handbuchs zum georgischen internationalen und europäischen Strafverfahrensrecht erarbeitet sowie bereits 17 georgische und 4 deutsche Autorinnen und Autoren für das Handbuch gewonnen. Den Abschluss bildete die Vorstellung des Projekts vor der Öffentlichkeit.

    Das nächste Arbeitstreffen wird in Jena und Berlin im März 2017 stattfinden.

Gefördert von der

  • VW Stiftung Logo