Die Francis Lieber Lecture
Zu Ehren und in Gedenken an Francis Lieber lädt die 2022 initiierte Francis Lieber Lecture on International Law jährlich renommierte Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtler zu einem Vortrag an die Universität Jena ein, um der universitären und städtischen Öffentlichkeit neueste völkerrechtliche Entwicklungen näherzubringen. Francis (ursprünglich „Franz“) Lieber, geb. 1798 in Berlin, war ein deutsch-amerikanischer Jurist, Staatsphilosoph und Diplomat. Als junger liberaler Aktivist, der in den Napoleonischen Kriegen und der Griechischen Revolution kämpfte, gelangte er an die Universität Jena, an der er im Juli 1820 promoviert wurde. Nach seiner Auswanderung in die USA im Jahr 1827 erlangte er dort große Bekanntheit u.a. als Begründer der Encyclopedia Americana. Weltweit bekannt ist Francis Lieber als Autor des „Lieber Code“ von 1863, des ersten schriftlich fixierten Regelwerks mit Vorgaben zu Methoden der Kriegsführung, das für die Streitkräfte der Unionstruppen im Amerikanischen Bürgerkrieg galt und später von weiteren militärischen Organisationen übernommen wurde. Schließlich bildete der „Lieber Code“ die Grundlage für die Entstehung des humanitären Völkerrechts, etwa der Haager Konventionen von 1899 und 1907. Seiner Zeit voraus, erkannte Lieber die Notwendigkeit eines bindenden Verhaltenskodex, um die verheerenden Folgen von Krieg, insbesondere für die Zivilbevölkerung, zu lindern und die menschenwürdige Behandlung von Kriegsgefangenen zu gewährleisten. Nach dem Bürgerkrieg diente Lieber als diplomatischer Unterhändler und Schiedsrichter zwischen den USA und Mexiko. Daneben arbeitete er mit Völkerrechtswissenschaftlern wie J. C. Bluntschli zusammen, dessen Werk „Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten“ von 1868, das als erster deutschsprachiger Kodifikationsversuch des Völkerrechts gilt, er inspirierte. So ist Francis Lieber nicht nur einer der Begründer des humanitären Völkerrechts, sondern gestaltete und inspirierte das Völkerrecht über das Recht des Krieges hinaus. Als weltläufiger Freigeist, Immigrant, Philosoph und Diplomat steht er für die Weiterentwicklung der Weltgemeinschaft durch die Förderung eines internationalen Rechtsbewusstseins.