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Körper, Gefühle und Erzählungen in Recht und Staat

Seminarankündigung
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Foto: Peter Schere

Im kommenden Sommersemester 2024 werde ich ein Seminar zum Thema:

Körper, Gefühle und Erzählungen in Recht und Staat

anbieten.

Recht und Staat verhalten sich nicht nur äußerlich zu Körpern, indem sie diese Regelungen un­terwerfen, sondern bilden selbst Körper, die in ihrem Inneren weitere Rechtskörper aus­for­men: Bereits in der Antike wurde der Staat metaphorisch als ein Organismus begriffen, spä­ter existierte die Vorstellung von den zwei Körpern des Königs (einem sterblichem wie einem un­sterblichem) sowie die eines Staats als eines aus einzelnen Menschen zu­sam­men­ge­setz­ten Körpers (Hobbesʼ Leviathan), bis sich im 19. Jahrhundert ein Verständnis vom Staat als ju­ristischer Person in Form einer Körperschaft durchgesetzt hat.
Die Bezugnahme des Rechts auf menschliche Körper und die damit zusammenhängende Ob­jektivierung reicht von Foucaults Biomacht und Agambens Homo sacer zu aktuellen De­bat­ten zum Sexualstrafrecht, der Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen sowie von Sex­arbeit/Prostitution, in denen insbesondere die Objektivierung weiblicher Körper pro­ble­ma­tisiert wird.

Weiterhin beruhen Recht und Staat auf Gefühlen und Erzählungen, die sie nicht zuletzt auch le­gitimieren. Unterschiedliche Rechtsgefühle bzw. Gerechtigkeitsempfindungen konfligieren da­bei nicht nur miteinander, sondern auch mit der vermeintlichen rechtlichen und staatlichen Ob­jektivität. Neben Gerechtigkeitsgefühlen und aus der Erfahrung mit dem Recht ent­stan­de­nem juristischen Urteilsvermögen deckt eine Auseinandersetzung mit Gefühlen im Recht die The­menbereiche Einstellungen zum Recht, Rechtsbewusstsein, Vor- und Selbst­ver­ständ­nisse und schließlich die rechtliche Bezugnahme auf Identitäten ab, welche gleichzeitig vom und vor dem Recht geschützt werden müssen.
Es stellt sich die Frage, welche Rolle individuelle Befindlichkeiten, Emotionen und Ein­stel­lun­gen für den Erhalt und Bestand sowie die Kritik und Fortentwicklung des Rechts spielen. Kann das immer wieder beschworene Rechtsgefühl als Grundlage für die Bildung kollektiver Rechts­körper und -ordnungen gelten?

Schließlich widmet sich das Seminar den großen Erzählungen über Recht und Staat. Auf die an­tike Vorstellung von Recht als Gottesgeschenk folgte etwa bereits im Altertum die eines Ge­sellschaftsvertrages als Grundlage des Staates und seiner Rechtsordnung. Im Zuge von De­batten um Migration wird zudem die Metapher des Staats als Familie bemüht und in in­ter­na­tionalen Konflikten wird das Recht in erster Linie als Gerechtigkeits- und Friedensordnung ver­standen. Auf verfassungsrechtlicher Ebene werden Vorstellungen des Rechts durch Kons­trukte wie Invisibilität, Neutralität, objektive Dritte, die Ewigkeitsklausel sowie die Un­an­tast­barkeit der Menschenwürde geprägt. Welche Bedeutung haben diese Motive für Recht und Staat? Kann man von einer rechtlichen Ikonographie sprechen?
Das Thema Erzählungen ermöglicht zudem Übergänge in eine literarische Verhandlung, wie sie sich etwa in Kafkas Prozess findet.

Es handelt sich um ein Blockseminar, dem einzelne Veranstaltungstermine während des Se­mes­ters vorangehen. Das Seminar gibt Gelegenheit, neben Übungsseminararbeiten auch Wis­senschaftliche Arbeiten in den Schwerpunktbereichen 1, 4 und 6 zu verfassen. Referate kön­nen auch über einschlägige Werke verfasst werden, in der Art eines Literaturberichts oder einer Rezension. Literaturhinweise und Terminfestlegung erfolgen in der Vor­be­spre­chung. Eine Einführungssitzung findet am 4. April von 16-18 Uhr im SR 317, CZS 3 statt.

Bitte melden Sie sich bei Interesse per E-Mail unter tim.niendorf@uni-jena.de und an­schlie­ßend in Friedolin für die Veranstaltung an. Anmeldungen für die Wissenschaftlichen Arbeiten müs­sen bis zum 29. Fe­bruar 2024 erfolgen.
Die Anmeldung für Übungsseminararbeiten ist auch nach dem 29.02.2024 möglich.

Studierende, die ihre Wissenschaftliche Arbeit im Seminar schreiben, erhalten nach der An­mel­dung ein Formular, das ausgefüllt per E-Mail zusammen mit einer eingescannten Datei des Übungsseminarscheins zurückzuschicken ist.

Einstiegsliteratur:

Berger, Christian/Frey, Michael/Priesemuth, Florian (Hrsg.), Rechte des Körpers, Juristische, phi­losophische und theologische Perspektiven, 2022.

Diehl, Paula (Hrsg.), Performanz des Rechts, Inszenierung und Diskurs, 2006.

Fögen, Marie Theres, Römische Rechtsgeschichten, Über Ursprung und Evolution eines so­zia­len Systems, 2002.

Keiser, Thorsten/Olson, Greta/ Reimer, Franz (Hrsg.): Feelings about Law/Justice. Rechts­ge­fühle: The Relevance of Affect to the Development of Law in Pluralistic Legal Cultures. Die Re­levanz des Affektiven für die Rechtsentwicklung in pluralen Rechtskulturen, 2023.

Kantorowicz, Ernst Hartwig, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theo­lo­gie des Mittelalters, 1990.

Koschorke, Albrecht/Frank, Thomas/Matala de Mazza, Ethel/Lüdemann, Susanne, Der fiktive Staat, Konstruktionen des politischen Körpers in der Geschichte Europas, 2007.

Lembke, Ulrike (Hrsg.), Regulierungen des Intimen, Sexualität und Recht im modernen Staat, 2017.

Münkler, Laura, Metaphern im Recht: Zur Bedeutung organischer Vorstellungen von Staat und Recht, Der Staat, Bd. 55, Nr. 2 (2016), S. 181-211.

Münkler, Laura/Stenzel, Julia (Hrsg.), Inszenierung von Recht, Funktionen – Modi – Inter­ak­tio­nen, 2019.

Peil, Dietmar, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeug­nis­sen von der Antike bis zur Gegenwart. Münstersche Mittelalterschriften, Bd. 50, 1983.