Gedenktafel für Erich Rothenburg

Rothenberg-Bibliothek

Zu Beginn des Wintersemesters 1923/1924 wurde an der damaligen Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die "Rothenberg-Bibliothek" eingeweiht. Ihr Aufbau geht zurück auf den Unternehmer Erich Rothenberg.
Gedenktafel für Erich Rothenburg
Foto: Paul Dittrich
  • Erich Rothenberg
    Erich Rothenberg
    Abbildung: Kustodie Universität Jena
  • Ehrenbürgerschaft Erich Rothenberg
    Ehrenbürgerschaft Erich Rothenberg
    Foto: Universität Jena
  • Ehrendoktorwürde Erich Rothenberg
    Ehrendoktorwürde Erich Rothenberg
    Foto: Universität Jena
  • Werke aus dem Bestand der Rothenberg-Bibliothek
    Werke aus dem Bestand der Rothenberg-Bibliothek
    Foto: Paul Dittrich
  • Gedenktafel für Erich Rothenberg
    Gedenktafel für Erich Rothenberg
    Foto: Paul Dittrich
  • Werke aus dem Bestand der Rothenberg-Bibliothek
    Werke aus dem Bestand der Rothenberg-Bibliothek
    Foto: Paul Dittrich
  • Ehrung Erich Rothenbergs auf dem Feuerbachtag 2023
    Ehrung Erich Rothenbergs auf dem Feuerbachtag 2023
    Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)
  • Annette Rothenberg als Ehrengast beim Feuerbachtag 2023
    Annette Rothenberg als Ehrengast beim Feuerbachtag 2023
    Foto: Jürgen Scheere (Universität Jena)

Erich Rothenberg und die "Rothenberg-Bibliothek"
(von Prof. Dr. Achim Seifert)

  • Gedenken der Fakultät an Erich Rothenberg

    Die Rechtswissenschaftliche Fakultät nahm den 100. Jahrestag der Verleihung der Ehrendoktorwürde am 15. Oktober 1923 an den Unternehmer Erich Rothenberg zum Anlass, des großzügigen Spenders und Förderers der Fakultät zu gedenken. Rothenberg stiftete in den 1920er Jahren die sog. „Rothenberg-Bibliothek“, die den Studierenden und Lehrenden der damaligen Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät zugutekam und einen Schwerpunkt auf dem internationalen Recht hatte. Für sein außerordentliches Engagement zugunsten der Fakultät wurde Rothenberg am 29. Dezember 1926 außerdem die Ehrenbürgerschaft der Universität verliehen.

    Zum Gedenken an Erich Rothenberg wurde am 17. November 2023 in Anwesenheit von Frau Anette Rothenberg, der in Madrid lebenden Enkeltochter von Erich Rothenberg, eine Gedenktafel in der Bibliothekpdf, 869 kb der Rechtswissenschaftlichen Fakultät enthüllt, die Auskunft über Rothenberg und die „Rothenberg-Bibliothek“ gibt (siehe Fotos oben). Auch im Rahmen des Feuerbachtages der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, der am gleichen Tag stattfand und an dem Frau Anette Rothenberg als Ehrengast der Fakultät teilnahm, wurde dieses großen Förderers der Fakultät gedacht (siehe Fotos oben).

  • Biographische Notizen zu Erich Rothenberg

    Erich Rothenberg wurde 1883 in Berlin geboren und absolvierte nach der mittleren Reife in den späten 1890er Jahren eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma Orenstein & Koppel in Berlin – einem schon damals bedeutenden Maschinenbauunternehmen, das insbesondere Lokomotiven herstellte. Auch nach seiner Ausbildung blieb er dem Unternehmen treu und arbeitete in den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg in dessen Exportabteilung, und zwar von 1902 bis 1910 in Niederlassungen des Unternehmens in Ostasien und von 1910 bis 1918 in der Exportgeschäftsführung von Orenstein & Koppel in Berlin. 1920 gründete er ein eigenes Unternehmen, dessen Zweck die Auslandsvertretung deutscher Industrieunternehmen und die Förderung des deutschen Außenhandels mit den Niederlanden zum Gegenstand hatte. Ab 1925 war er in einem Eisenexportunternehmen in Berlin und Hamburg beschäftigt und seit 1928 als Exportfachmann in der deutschen Schwerindustrie; auch war er Aufsichtsratsmitglied in verschiedenen deutschen Industrieunternehmen.

    Diese beeindruckende Karriere im deutschen Außenhandel fand mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein jähes Ende. Er blieb mit seiner Familie zunächst noch einige Jahre in Deutschland; über die genauen Lebensumstände, die Schwierigkeiten, denen er und seine Familie in den ersten Jahren des NS ausgesetzt gewesen sein müssen, ist wenig bekannt. 1938 verließ er mit seiner Frau Deutschland und emigrierte zunächst in die Niederlande, die er bereits aus seiner Amsterdamer Zeit in den 1920er Jahren gut kannte. Während des Zweiten Weltkrieges, 1941, mussten beide „unter den schwierigsten Umständen“ – „ohne Geld, ohne Koffer und unter Zurücklassung aller […] Sachen“, wie Frau Rothenberg nach dem Krieg schrieb – aus den von deutschen Truppen besetzten Niederlanden fliehen. Dem Ehepaar gelang es, über Portugal in die USA zu emigrieren, wo sie sich in New York niederließen. Erich Rothenberg gelang jedoch nicht mehr, in den USA richtig Fuß zu fassen. Nahezu mittellos verstarb der große Förderer unserer Fakultät am 21. Februar 1946 in New York an einem Herzleiden, das er sich bei seiner dramatischen Flucht aus Europa zuzog.

  • Einrichtung der "Rothenberg-Bibliothek"

    Rothenbergs Unterstützung der damaligen Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät kam auf Vermittlung des Berliner Fabrikanten Walter Behrend zustande, den Heinrich Gerland, Strafrechtler an unserer Fakultät, aus der Zeit des Ersten Weltkrieges gut kannte. Gerland lernte Erich Rothenberg im Hause Behrend Anfang 1923 kennen. Er schilderte die wirtschaftlichen Nöte der Jenaer Fakultät sehr eindrücklich. Der damals in Amsterdam lebende und im Exportwesen tätige Rothenberg war von dieser Schilderung sehr beeindruckt und wollte helfen. In nur kurzer Zeit gewann die Idee konkrete Gestalt, der Fakultät beim Aufbau einer Bibliothek zu helfen, welche die damals bestehende Lücke in der Grundausstattung mit juristischer Literatur möglichst schnell schließen und den „Mangel an Kenntnissen des ausländischen Rechts“ vieler deutscher Juristen durch den Aufbau einer Bibliothek dadurch abhelfen sollte, dass deutschen Studenten des Rechts der Zugang zum internationalen Recht und zu einzelnen für das Wirtschaftsleben wichtigen ausländischen Rechtsordnungen eröffnet wird.

    Diese „Rothenberg-Bibliothek“ wurde im Hauptgebäude der Universität, in dem die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät damals ihren Sitz hatte, untergebracht. Schon kurz nach ihrer Eröffnung, die auch jenseits der Thüringer Presse wahrgenommen und gefeiert wurde – so wurde Rothenberg im „Berliner Tagblatt“ vom 18. Oktober 1923 als „königlicher Kaufmann“ bezeichnet –, hatte die „Rothenberg-Bibliothek“ einen Bestand von über 8.000 Bänden (siehe den Katalog der "Rothenberg-Bibliothek an der Universität Jena 1923pdf, 36 mb). Ende 1926 umfasste sie bereits 20.000 Bände. Auf wie viele Bände der Bestand mit Unterstützung von Rothenberg letztlich anwuchs, lässt sich leider nicht mehr mit Gewissheit sagen. Jedenfalls müssen bis zur Einstellung seines finanziellen Engagements Ende 1930, also während der Wirtschaftskrise, noch zahlreiche weitere Werke angeschafft worden sein; die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek unternimmt derzeit eine Provenienzforschung und versucht, den genauen Bestand der „Rothenberg-Bibliothek“ zu rekonstruierenExterner Link.

    Ihr inhaltlicher Schwerpunkt lag auf Werken zum Völkerrecht, zum internationalen Wirtschaftsrecht und zu den Rechtsordnungen einzelner anderer Länder; eine hervorgehobene Bedeutung nahm hier auf die Bitte von Rothenberg das niederländische Recht ein. Neben dem Auf- und Ausbau dieser Bibliothek finanzierte Rothenberg auch ein Stipendium zugunsten eines Rechtswissenschaftlers aus Jena, mit dem ein Forschungsaufenthalt an einer Niederländischen Universität zum Niederländischen Recht gefördert werden sollte. Es war kein geringerer als der damals noch junge Privatdozent Hans Carl Nipperdey – der bedeutende Arbeits- und Wirtschaftsrechtler und erste Präsident des Bundesarbeitsgerichts in den 1950er und frühen 1960er Jahren –, den die Fakultät in die Niederlande „entsandte“ und der dort zu „Gesellschaftsgründungen nach internationalem, insbesondere holländischem Recht“ eine wissenschaftliche Arbeit anfertigte. Die Verwaltung der „Rothenberg-Bibliothek“ erfolgte durch ein Kuratorium innerhalb der Universität Jena, dem neben Erich Rothenberg u.a. auch die bereits erwähnten Heinrich Gerland und Walter Behrend angehörten; Behrend wurde wegen seiner „Verdienste um die Rothenberg-Bibliothek der Universität Jena“ zeitgleich mit Rothenberg die Ehrendoktorwürde verliehen.

  • Das weitere Schicksal der "Rothenberg-Bibliothek"

    Die „Rothenberg-Bibliothek“ war zunächst eine räumlich verselbständigte Bibliothek, die sich im Universitätshauptgebäude befand. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde jede Spur, die auf den Spender der Bibliothek hinwies, getilgt: So war nicht mehr von der „Rothenberg-Bibliothek“ die Rede und auch das in der Bibliothek aufgehängte Porträt von Erich Rothenberg (siehe oben) wurde entfernt. Dies änderte sich indessen nach dem Zweiten Weltkrieg, 1948, als anlässlich des 25-jährigen Bestehens der „Rothenberg-Bibliothek“ eine Gedenkfeier stattfand, wie der damals in Jena noch tätige Strafrechtler Richard Lange in einer juristischen Zeitschrift mitteilte (Deutsche Rechtszeitschrift [DRZ] 1949, S. 38-39Externer Link). Die Bibliothek ging allerdings in den folgenden Jahren in der allgemeinen Bibliothek der Fakultät auf und geriet deshalb allmählich in Vergessenheit. Dies ging sogar so weit, dass der Name von Rothenberg den allermeisten Fakultätsangehörigen nicht mehr bekannt war. Rothenberg und die von ihm gestiftete Bibliothek ist erst seit einigen Jahren wieder in das Bewusstsein der Fakultäts- und Universitätsangehörigen gelangt. So versucht die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, den Bestand der „Rothenberg-Bibliothek“ zu rekonstruieren, soweit dies noch möglich ist. Der Bibliotheksreferent der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Herr Thomas Witzgall, ist an dieser Provenienzforschung maßgeblich beteiligt.